2021

Ruhr Museum, Zollverein Essen

By

2021

 

Ruhr Museum, Zollverein Essen

21.6. – 31.10.2021

 

Einwanderungs-Denkmal auf Zollverein

Entwürfe von zeitgenössischen Künstler*innen:

 

 

Ulf Aminde, Berlin & Manuel Gogos, Bonn

Özlem Günyol & Mustafa Kunt, Frankfurt/M.

Claus Föttinger, Düsseldorf

missing icons, Hamburg

Nasan Tur, Berlin

Iskender Yediler, Berlin

 

Einwanderungs-Denkmal

Gedanken über ein gesellschaftspolitisches Kunstprojektes

 

Das Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering zum 14. Europäischer Kulturmarken-Award 2019 in Zollverein enthält eine Überraschung:

„Um die Leistung dieser Menschen, ihrer Kinder und Kindeskinder, zu würdigen, wäre es eine gute Geste, wenn wir diesen Menschen, die längst Teil unseres Landes geworden sind, hier in unserer Mitte ein Denkmal errichten.“[i] Diese offene, wohlwollende Denkmal-Idee ist eng mit der Geschichte der Begegnungen von „Einheimischen“ und „Fremden“ in der deutschen Einwanderungsgesellschaft verbunden. Der Wandel von „Gastarbeiter“ genannten Arbeitsmigranten zu einheimischen Inländern wurde von vielen Deutschen mit Missverständnissen, Befremden und Ängsten registriert. Man neigte dazu, diese neuen Inländer als Bürger 2. Klasse zu betrachten, und behandelte sie weiterhin als Fremde, die irgendwann wieder gehen würden. Das hat kollektive, mentale Verletzungen erzeugt.

 

Wenn man über ein Denkmal für die Migration nachdenkt, kommen ineinander gewachsene komplexe Themen der Einwanderungs- und Integrationspolitik der letzten 60 Jahren zur Betrachtung. Das Spektrum des gewünschten Denkmals ist breit und beinhaltet diffizile Problemstellungen und Befindlichkeiten. Doch darf man das Thema nicht nur von seiner konfliktbehafteten Seite angehen. Die unzähligen positiven Aspekte dürfen nicht übersehen werden: Die ungeheure Bereicherung, die beide Seiten einer Gesellschaft durch den kulturellen Austausch infolge von Migration erfahren.

 

Nach intensiver Recherche habe ich festgestellt, dass die gesellschaftspolitische Verortung des gewünschten Denkmals mit der Säuberung eines Minenfelds verglichen werden kann. Es war notwendig, Begriffe ­– wie z. B. „Gastarbeiter”, “Einwanderer”, “wir Deutschen“ – neu zu definieren, um eine sozialpolitisch aktive zeitgenössische Kunst-Diskussion zu ermöglichen. Deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, statt „Gastarbeiterdenkmal“ über ein „Einwanderungs-Denkmal“ zu sprechen. Es war wichtig, das Denkmalvorhaben über eine einzige Nation, nämlich „Türken“, hinaus auf eine transnationale Ebene zu projizieren, um generationenübergreifend alle Migranten*innen anzusprechen. Die notwendige Lektüre hat mir gezeigt, wie trocken und mit überwiegend negativen Einstellungen über die Situation der Migranten*innen, die längst in dritter Generation die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, diskutiert wird. Mit dem Projekt Einwanderungs-Denkmal wollte ich in erster Linie auf die Notwendigkeit hinweisen, neue Migrationsnarrative zu entwickeln, und einen lockeren, humorvollen Umgang mit dem Thema ermöglichen. Meine Gespräche mit eingeladenen Künstler*innen, Forscher*innen und institutionellen Akteuren erlauben mir die Eigenschaften und Ziele des Einwanderungs-Denkmals, das gerade im Entstehen ist, mit folgenden Sätzen zu skizzieren: Wir wünschen uns, dass alle Migrant*innen der ersten Generation und ihre Nachfahren, unabhängig von ihrer ethnischen, religiösen oder politischen Zugehörigkeit sich im geplanten Denkmal wiederfinden können. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist die Grundhaltung, Offenheit und Akzeptanz gegenüber Migranten*innen zu zeigen. Dazu gehört auch die Auflösung fester Bilder, die wir im Kopf haben, um eine differenzierte Wahrnehmung zu ermöglichen.

 

Ein Denkmal kann nicht die Tagesprobleme der auswärtigen Beziehungen und inneren Befindlichkeiten unsere Einwanderungsgesellschaft lösen. Es kann nicht die kulturellen Konflikte, in dem sich Mehrheit und Minderheiten zu befinden glauben, heilen. Aber ein Denkmal kann in den Grenzen seiner kommunikativen Möglichkeiten eine neue Situation durch die Sichtweisen der zeitgenössischen Künstler*innen ins Licht rücken und dadurch ein Anstoß sein für ein neues, inklusives „Wir Gefühl“, das auch die Nachkommen der Eingewanderten miteinschließt.

Download PDF

[i] Müntefering, Michelle: Grußwort zum 14. Europäischer Kulturmarken-Award im Rahmen des KulturInvest!-Kongresses 2019, (Abrufdatum: 30.12.2020)

https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/muentefering-kulturinvest-konkress-2019/2264830

You may also like